Kritik
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Prosperos wundertätige Buchweisheit hat das Team vom Spielraum offenbar beflügelt, denn eine klüger und geschickter inszenierte Fassung von Shakespeares spätem Werk wird man kaum finden (und das liegt nicht nur daran, dass "Der Sturm" in unserem Land nicht gerade häufig auf den Bühnen zu sehen ist).
Gerhard Werdekers Regiekonzept überzeugt durch hingebungsvolle Arbeit am Text: er griff auf keine gängige Übersetzung zurück, sondern verdeutschte das Stück selber (besonders geglückt ist in dieser Hinsicht Prosperos Zwiegespräch mit Ariel) und belässt z.B. die "Zaubersprüche" des Inselherren im Original.
Ebenso hervorragend wurde das Raumkonzept gestaltet: hier trat das Spielraum-Team den Beweis an, dass dieses Werk auch jenseits von Greenaway'schen Ausstattungsorgien lebensfähig ist und mit bescheidensten Mitteln große Wirkungen erzielt werden können. Bereits der Beginn lässt uns einen atemberaubenden Schiffbruch miterleben, bei dem die Besatzung in den Seilen und Strickleitern der Takelage hängt, während ein ohrenbetäubendes Meeresgetöse erklingt. Die Gestrandeten finden sich hingegen auf einem Eiland aus umgekehrten Tischen, deren Platten einen schwankenden Grund abgeben, während Prospero (Michael Schefts in seiner 50. Premiere) von erhöhter Position aus das Geschehen dirigiert und mit knappen Handbewegungen Schlaf über die Figuren herabsenkt oder Ariel herbeizitiert (der bleibt übrigens unsichtbar, wie es sich für einen Luftgeist gehört, und nur seine Stimme erfüllt mit Echowirkung den Raum).
Von den hervorragenden 10 Akteuren verdient Beate Stern besondere Erwähnung: sie verleiht dem "wilden und missgestalteten Sklaven" Caliban als Zwitterwesen ein tragikomisches Leben.
Dem Spielraum ist also mit dem ersten Teil des neuen Zyklus "Utopie und Gesellschaft" eine regelrechte Zauberei in Shakespear'schem Geiste gelungen.